Weniger ist mehr
Der Trend der „Work- Life-Balance“ war gestern. In Zeiten in denen 80% der Deutschen innerlich bereits gekündigt haben oder sich emotional nicht mehr an das Unternehmen gebunden fühlen, reichen bunte Bürowände, ein paar Tage im Homeoffice sowie die bezahlte Mitgliedschaft im Fitnessstudio nicht mehr aus, um für Motivation zu sorgen. Das Problem geht tiefer. Viel tiefer.
Sinnhaftigkeit
Ohne Sinnhaftigkeit wird aus dem Beruf schnell ein stupides und lästiges Übel. Umso spannender wird daher jegliche Art der Ablenkung: Die neue Kollegin, der neue Kollege, die Süßigkeitenbox, der Kaffeespender, das Internet und die social media natürlich.
Das Problem ist, dass unser Geist nicht daran interessiert ist sich mit wiederholenden, unverbundenen Aufgaben zu beschäftigen. Der Geist möchte „Spiel, Spaß und Spannung“. Also reden wir während der Arbeit ausführlich über das Wochenende, wir shoppen im Internet, lesen Blogs von Menschen mit aufregenderen Jobs und interessanteren Leben. Wir essen und trinken uns den Arbeitstag schöner und vertreiben uns mit Pausen die Langeweile. Des Weiteren sind wir ständig damit beschäftigt uns selbst zu motivieren und gegen die Lustlosigkeit anzukämpfen. Die Aufgaben bei der Arbeit werden dann meistens nur noch halbherzig erledigt und enthalten nicht selten Flüchtigkeitsfehler.
Wir stellten uns die Frage: Ist dieses ganze Theater nicht vermeidbar?
Die Antwort auf diese Frage können wir nach einer eingehenden Recherche ganz klar mit „JA!“ beantworten. Es gibt sogar bereits ausgefeilte Lösungsansätze für einen neuen Weg. Ein Beispiel liefert uns Skandinavien.
Das Skandinavische Modell
Es gibt mehrere Studien, die nachweislich belegen, dass wir in kürzerer Arbeitszeit, mehr schaffen können. Wie das gehen soll? Skandinavien zeigt, wie es klappen kann: Die Ablenkungen werden komplett gestrichen und die Arbeitszeiten verkürzt. Auf diese Weise werden die Konzentrationszeiten verringert und die Eigenmotivation steigt.
Ausfallzeiten verringern
Bei der gleichen Bezahlung satte zehn Stunden pro Woche weniger arbeiten? Das lockt neue Mitarbeiter an, denen ein ausgeglichenes Privatleben wichtig ist. Die Unternehmer profitieren außerdem von weniger Ausfallzeiten ihrer Angestellten, denn es ist längst nachgewiesen, dass ausgeglichenere MitarbeiterInnen seltener krank sind. Zudem sind sie im Ernstfall deutlich belastbarer und zeigen im Allgemeinen mehr Einsatz.
Was könnte sich eine Führungskraft mehr von seinem Team wünschen?!
Effektivität steigern – neue Strukturen schaffen
Alle Eltern mit schulpflichtigen Kindern kennen das Problem: Draußen scheint die Sonne, es blüht und summt im Garten, man hört die Nachbarskinder kreischend im Planschbecken spielen. Das eigene Kind hat am nächsten Tag eine Klausur in Mathe. Der Frust des Kindes lässt sich in seinem Gesicht sowie in seiner Körpersprache deutlich erkennen; die Schultern hängen und der Kopf liegt auf dem Schreibtisch. „Mama, warum dürfen alle draußen spielen und ich muss lernen?“
Diese vorwurfsvolle Satz schmerzt uns und verschlimmert das schlechte Gewissen, das wir eh schon haben. Auch wir kennen diese Situation, wir wissen wie es ist, wenn wir zu etwas gezwungen werden, was in unseren Augen keine Sinnhaftigkeit hat. Wir wissen, wie mühsam es ist die eigenen Bedürfnisse zu unterdrücken und gegen den Bewegungsdrang anzukämpfen. Nur im Gegensatz zu unseren Kindern haben wir uns bereits jahrelang antrainiert lange auf einem harten Stuhl vor einem strahlenden Bildschirm zu sitzen.
Neurowissenschaftler und Therapeuten sind sich jedoch längst einig: Der Mensch kann sich nur eine kurze Zeit intensiv konzentrieren. Durch eine Verkürzung der Arbeitszeit von 8 auf 6 Stunden pro Tag, wird die Chance auf Konzentrationsfehler nach einer intensiven Belastungszeit gesenkt. Durch das bekannte Paretoprinzip (auch 80/20 Prinzip genannt) können zudem im Arbeitsalltag die persönlichen Wertmaßstäbe überdacht und regelmäßig angepasst werden.
Klare Regeln
Funktionieren kann die Umstellung auf weniger Arbeitszeit nur bei genügender Einbindung aller Mitarbeiter in das Projekt. Die Devise lautet: Ohne Commitment – kein Erfolg. Auch das Smartphone ist für viele eine zu große Versuchung, um effektiv zu bleiben. Der soziale Austausch ist ebenfalls ein riesiger Stolperstein. Im besten Fall wird im Voraus ein Ausgleich organisiert. Dies können gelegentliche Aktivitäten außerhalb der Arbeitszeiten sein oder auch die gemeinsame Mittagspause.
Teamplay neu erlernen – wie aus dem Miteinander ein Füreinander wird
Der Begriff des Teamplays ist in der Arbeitswelt ein alter Hut. Lässt man die Phrase jedoch hinter sich und lässt die Mitarbeiter aktiv an der Gestaltung der Umsetzung teilhaben, entsteht etwas völlig Neues daraus. Die entscheidenden Begriffe für unser Team sind: Vertrauen, Gemeinsamkeit und der gegenseitige Respekt. Es geht darum eine neue Kultur im Unternehmen zu entwickeln. Dies beinhaltet beispielsweise, dass gemeinsam festgelegte Werte von allen vorgelebt werden. Hierzu kann auch gehören, dass ein neuer Umgang mit Fehlern entsteht: ein Fehler kann als Chance gesehen werden, sich zu verbessern und Anlass bieten passendere Strukturen zu entwickeln, um Fehler künftig zu vermeiden. Es liegt auf der Hand, dass für diese neue Art des Teamplays Geduld und Beharrlichkeit von allen Seiten erforderlich sind. Langfristig gesehen lohnt sich diese investierte Mühe jedoch, denn sie kann zu einer nachhaltig positiven Unternehmenskultur führen und dies wiederum beeinflusst nachhaltig den Erfolg des Unternehmens.
Unser Fazit
Nach über einem Jahr mit den neuen Arbeitszeiten sind die Vorteile offensichtlich. Wir erhalten sehr viele positive Rückmeldungen von externen GeschäftspartnerInnen und Bekannten sowie von den MitarbeiterInnen. Natürlich gibt es auch Stolpersteine, denn nicht jeder kann mit der neu gewonnen Freiheit umgehen. Allerdings sind diese Herausforderungen schlussendlich abhängig von der Persönlichkeit eines Menschen und waren bereits vor der Umstellung vorhanden. Die positiven Auswirkungen der Verkürzung der Arbeitszeit und den damit einhergehenden Veränderungen überwiegen deutlich und werden sich hoffentlich auch langfristig auf die Unternehmenskultur auswirken.
Janaka Born
Quellen:
https://www.aerztezeitung.de/praxis_wirtschaft/klinikmanagement/article/921960/arbeitszeitmodelle-innovative-konzepte-skandinavien.html
https://www.avantgarde-experts.de/de/magazin/6-stunden-tag/
https://goodjobs.eu/de/articles/acht-unternehmen-die-sich-vom-achtstundentag-verabschiedet-haben
https://lexikon.stangl.eu/6553/konzentrationsspanne/
https://t3n.de/news/smartphones-studie-konzentration-dumm-833788/